DO02. Dezember, 19:00UHR

DER TIGRAY KONFLIKT

Reihe: Africa. Dimensions of a Continent
KuratorIn: Georg Lennkh
Vortragende: Belachew Gebrewold, Gerald Hainzl

ZOOM Live / Facebook Live

GEORG LENNKH IM GESPRÄCH MIT  BELACHEW GEBREWOLD UND GERALD HAINZL

DER TIGRAY KONFLIKT
Ein Pulverfass für das Afrikanische Horn

In der äthiopischen Region Tigray herrscht ein von Gräueltaten geprägter Krieg, und die Zivilbevölkerung trägt die Hauptlast. Auf internationalen Druck hat Addis Abeba Zugeständnisse beim Zugang zu Hilfsgütern angeboten und den Rückzug der eritreischen Truppen zugesagt. Doch die Aussichten auf eine Verhandlungslösung erscheinen düster. Ein tief verwurzelter tigrayischer Widerstand in Kombination mit der Entschlossenheit der äthiopischen und eritreischen Behörden, die flüchtigen Führer von Tigray von der Macht abzuhalten, bedeuten, dass sich der Konflikt zu einem langwierigen Krieg entwickeln könnte. Das würde Tigray weiter verwüsten und Äthiopien, dem Dreh- und Angelpunkt am Horn von Afrika, schwer schaden. Da ein entscheidender Sieg für beide Seiten in weiter Ferne liegt, könnten die Parteien eine Einstellung der Feindseligkeiten in Betracht ziehen, die zumindest einen erweiterte humanitärer Hilfe ermöglicht. Dieser praktische erste Schritt würde das Leid der Zivilbevölkerung verringern und im Idealfall den Weg für eine spätere Rückkehr zum Dialog ebnen. Über die Hintergründe des Konflikts, und wie aussichtsreich eine baldige Lösung ist, darüber diskutiert Georg Lennkh mit dem Politikwissenschaftler Belachew Gebrewold und der Afrikaexpertin Margit Maximilian.

 

Belachew Gebrewold, ist äthiopisch-österreichischer Politikwissenschaftler und Migrationsforscher. Er ist Professor an der Fachhochschule Management Center Innsbruck und lehrt an der Universität Innsbruck.

Gerald Hainzl, Forscher am Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement der Landesverteidigungsakademie

Georg Lennkh, ehemaliger österreichischer Sonderbotschafter der österreichischen Bundesregierung für Afrika

DO09. Dezember, 19:00UHR

VORWÄRTS IN DIE ZUKUNFT

Reihe: Es ist ein gutes Land
KuratorIn: Wolfgang Maderthaner
Vortragende: Kurt Stocker

YouTube Premiere „Aus Kreiskys Wohnzimmer“

WOLFGANG MADERTHANER IM GESPRÄCH MIT KURT STOCKER

VORWÄRTS IN DIE ZUKUNFT.
Die revolutionären 70er Jahre

Kurt Stocker, Jahrgang 1954, geboren in Leoben, aufgewachsen im obersteirischen Trieben und teilweise in Ramsau am Dachstein, wollte schon früh „die Welt verbessern“. Nach der Matura im musisch-pädagogischen Bundesrealgymnasium absolvierte er eine Ausbildung an der Pädagogischen Akademie in Graz und sollte eigentlich Lehrer werden. Das ihm zutiefst verhasste Proporzsystem hielt ihn davon ab.1975 ging Stocker, der große Sehnsucht nach Kultur, Urbanität und Anonymität hatte, nach Wien und begann ein zweites Studium der Psychologie und Pädagogik an der Uni. Wie schon an der PÄDAK in Graz engagierte er sich auch in Wien in der Studierenden-Vertretung und gründete die Institutsgruppe Psychologie mit. Während ihrer Besetzung schaute Stocker jeden Tag in der ARENA vorbei und engagierte sich in vielen Kunst- und Kulturprojekten, dabei auch die Besetzung und Etablierung des „Amerlinghauses“. Ein Schwerpunkt lag zudem auf sozialwissenschaftlichen Studien und Projekten, seine Leidenschaft galt einer „Sozialwissenschaft im Sinne der Aufklärung“. Diese Aktivitäten mündeten schließlich in der Mitbegründung des „Instituts für Kulturstudien“, von 1984 bis 1994 war Stocker einer dessen Leiter.Von 1992 bis 1994 war Kurt Stocker für die österreichische Bundesregierung für die Planung der Aktivitäten anlässlich der Jubiläen 50 Jahre 2. Republik und Millennium tätig. Und von 1995 bis 2019 fungierte er als Geschäftsführer und mehrfach ausgezeichneter Filmproduzent bei „Dor-Film“, einer der größten Filmproduktionsgesellschaften Österreichs. Sie produzierte Filme wie „Indien“, „Hinterholz 8“ oder „Komm, süßer Tod“. Aber auch die weit über Österreichs Grenzen hinausragende Produktion „Im toten Winkel – Hitlers Sekretärin“ mit Andre Heller und Traudl Junge.

Mit dem Historiker Wolfgang Maderthaner spricht Kurt Stocker über das verschlafene, konservativ geprägte Österreich der beginnenden Siebziger und eine sich parallel zur Modernisierungspolitik der SPÖ-Alleinregierung von Bruno Kreisky entwickelnde junge Generation und ihr neues Lebensgefühl, das von Rock-Musik ebenso beeinflusst war wie von der Studentenrevolte der Sechziger.

Moderation: Wolfgang Maderthaner, Historiker, Verein Geschichte der Arbeiterbewegung

MO13. Dezember, 19:00UHR

DIE ERSCHÖPFUNG DER FRAUEN

Reihe: Genial Dagegen
KuratorIn: Robert Misik
Vortragende: Franziska Schutzbach

ZOOM Live / Facebook Live

ROBERT MISIK IM GESPRÄCH MIT FRANZISKA SCHUTZBACH

DIE ERSHÖPFUNG DER FRAUEN
Wider die weibliche Verfügbarkeit

In unserer Gesellschaft wird Weiblichkeit gleichgesetzt mit Fürsorglichkeit. Frauen sind, ob in der Familie, in Beziehungen oder im Beruf, zuständig für emotionale Zuwendung, für Harmonie, Trost und Beziehungsarbeit – für Tätigkeiten also, die unsichtbar sind und kaum Anerkennung oder Bezahlung erfahren. Sie „schulden“ anderen – der Familie, den Männern, der Öffentlichkeit, dem Arbeitsplatz – ihre Aufmerksamkeit, ihre Liebe, ihre Zuwendung, ihre Attraktivität, ihre Zeit. Und kämpfen jeden Tag gegen emotionale und sexuelle Verfügbarkeitserwartungen.
Es sind diese allgegenwärtigen Ansprüche, die Frauen in die Erschöpfung treiben. Denn – deklariert als „weibliche Natur“ – ist die geleistete Sorgearbeit meist wenig anerkannt und bleibt unsichtbar. Sie gilt ökonomisch als irrelevant und ist gerade deshalb ausbeutbar.

Die Geschlechterforscherin Franziska Schutzbach zeigt auf, dass die Verfügbarkeitsansprüche für unterschiedliche Frauen Unterschiedliches bedeuten: Ob als Mütter oder als Mädchen, ob als schwarze oder weiße Frauen, als Migrantin, Trans- oder non binäre Person, als dicke oder lesbische Frau, ob im Dienstleistungssektor, in Pflegeberufen oder in der digitalen (Selbst)vermarktung, ob als Politikerin oder Künstlerin – die Verausgabung hat unterschiedliche Ausmaße und unterschiedliche Ursachen.
Schutzbach wendet sich gegen ein misogynes System, das von Frauen alles erwartet und nichts zurückgibt. Und sie zeigt, welch vielfältigen Widerstand Frauen gegen die Ausbeutung ihrer Energie, ihrer Psyche und ihrer Körper leisten. Ein Widerstand, der zu einer treibenden Kraft für neue Arbeits- und Lebensweisen wird und die Welt verändert.

Franziska Schutzbach, geboren 1978, ist promovierte Geschlechterforscherin und Soziologin, Publizistin, feministische Aktivistin und Mutter von zwei Kindern. Im Jahr 2017 initiierte sie den #SchweizerAufschrei, seither ist sie eine bekannte und gefragte feministische Stimme auch über die Schweiz hinaus.
Ihre Forschungsschwerpunkte sind Geschlechterthemen wie Misogynie und Sexismus, darüber hinaus befasst sie sich mit den Kommunikationsstrategien von Rechtspopulisten. Franziska Schutzbach lebt in Basel.


Franziska Schutzbach:
Die Erschöpfung der Frauen. Wider die weibliche Verfügbarkeit
Verlag Droemer Knaur, Oktober 2021, € 18,00

DI21. Dezember, 19:00UHR

VON GRENZEN UND ABGRÜNDEN

Reihe: Philoxenia
KuratorIn: Tessa Szyszkowitz
Vortragende: Eva Menasse

YouTube Premiere „Aus Kreiskys Wohnzimmer“

TESSA SZYSZKOWITZ IM GESPÄCH MIT EVA MENASSE
VON GRENZEN UND ABGRÜNDEN
Betrachtungen über die besondere Lage Österreichs

In ihrem jüngsten Roman Dunkelblum beschäftigt sich die in Berlin lebende österreichische Schriftstellerin Eva Menasse mit Ereignissen der österreichischen Geschichte, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit genannt werden müssen: die zahllosen Massaker an ungarisch-jüdischen Zwangsarbeiter:innen, die in den letzten Wochen des Zweiten Weltkrieges zum Bau des Südostwalls, einer sinnlosen und größenwahnsinnigen Verteidigungsanlage der Deutschen Wehrmacht, ins Burgenland und östliche Niederösterreich getrieben worden waren. Diese sogenannten „Endphaseverbrechen“ in über 120 Gemeinden wurden jahrzehntelang vertuscht, aber nur im deshalb notorisch gewordenen Rechnitz wurden die Leichen bis heute nicht gefunden. Eva Menasse siedelt die Handlung im Fantasiestädtchen Dunkelblum an und verarbeitet historische Fakten der ganzen Gegend, aus Mattersburg, Rechnitz, Jennersdorf, Deutsch-Schützen.

Der Autorin geht es in diesem Roman nicht nur um die literarische Aufarbeitung der österreichischen Geschichte – oder viel mehr um eine Aufarbeitung, die viel zu lange auf sich warten ließ. Menasse interessiert sich einerseits für die konkrete Dynamik einer Kleinstadt, in der jeder jeden kennt und das meiste über den anderen weiß, andererseits für die spezifischen Phänomene dieser Grenzregion. Jahrhundertelang, während der k.u.k.-Monarchie, gab es hier keine Grenze, erst 1918-21 wurde sie blutig gezogen. Alle möglichen Verbrechen fanden an ihr und wegen ihr statt, und als im Sommer 1989 der Eiserne Vorhang ausgerechnet hier als erstes brüchig wird, scheint für einen historischen Moment lang echte Aufarbeitung möglich.

Eva Menasse ist eine österreichische Schriftstellerin. In Wien geboren lebt sie heute in Berlin. Sie begann als Journalistin bei profil und der Frankfurter Allgemeinen, bevor sie als Autorin mit den Romanen Vienna und Quasikristalle reüssierte. Sie erhielt viele Literaturpreise, darunter den Österrechischen Buchpreis 2017. Sie gehört zu den Unterstützer:innen der Charta der digitalen Grundrechte der Europäischen Union und der Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus.

Tessa Szyszkowitz, London-Korrespondentin für profil, Welt-Kolumnistin beim Falter, Autorin von Echte Engländer. Britannien und der Brexit

DO30. Dezember, 19:00UHR

IM DIENSTE DER MENSCHLICHKEIT

Reihe: Solidarität und Krise
Vortragende: Reinhard Dörflinger

YouTube Premiere „Aus Kreiskys Wohnzimmer“

ROBERT MISIK IM GESPRÄCH MIT REINHARD DÖRFLINGER

IM DIENSTE DER MENSCHLICHKEIT
Zum 50. Geburtstag von Ärzte ohne Grenzen

Die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ wurde am 22. Dezember genau 50 Jahre alt. 1971 wurde sie von 12 französischen Ärzten und Journalisten gegründet. Heute sind weltweit rund 65 000 Menschen für „Médecins Sans Frontières“, wie die Organisation international heißt, unterwegs, um in Krisenregionen, an Kriegsschauplätzen und nach Naturkatastrophen ärztliche Ersthilfe zu leisten, aber auch dauerhaft medizinische Versorgung bereitzustellen.

Zum 50. Geburtstag hat Robert Misik den langjährigen Präsidenten von Ärzte ohne Grenzen Österreich Reinhard Dörflinger in Kreiskys Wohnzimmer eingeladen. Seine langjährige Erfahrung in der Flüchtlings- und Entwicklungshilfe hat ihn in viele Konfliktgebiete geführt: Dem ersten Einsatz 1979 in Honduras, wo er die medizinische Versorgung für nicaraguanische Flüchtlinge organisierte, folgten weitere Einsätze für politische Gefangene in Uruguay und für afghanische Flüchtlinge in Pakistan 1982. Er evaluierte außerdem medizinische Projekte in Westafrika, Rumänien und Bosnien. Als er 1995 in einem Lager in Ruanda mit Ärzte ohne Grenzen zusammenarbeitete, wurde sein Interesse für die Organisation geweckt. 2005 leistete Reinhard Dörflinger einen Einsatz mit Ärzte ohne Grenzen in einem Ernährungszentrum für mangelernährte Kinder in Zinder, im Süden von Niger.

In Wien arbeitete Reinhard Dörflinger seit 1984 in einer allgemeinmedizinischen Praxisgemeinschaft und in der psychosozialen Ambulanz ESRA. In der Wiener Ärztekammer ist er Referatsleiter für Substitution und Drogenmedizin.

Bei Ärzte ohne Grenzen Österreich fungierte Reinhard Dörflinger von 2006 bis 2016 als Vorstandsvorsitzender, derzeit ist er Mitglied des Vorstandes als gewählter Repräsentant von Ärzte ohne Grenzen Österreich in der Internationalen Vollversammlung Médicins Sans Frontières International.

Von 2008 bis 2011 war Dörflinger stellvertretender internationaler Präsident von Ärzte ohne Grenzen. In dieser Funktion besuchte er Hilfsprogramme in Kenia, Mosambik, Niger, Honduras, Guatemala, Myanmar und dem Libanon, um mit den Teams über aktuelle Herausforderungen zu diskutieren und die Erfahrungen in den internationalen Vorstand der Organisation zu tragen.

Dr. Reinhard Dörflinger, Arzt für Allgemeinmedizin

Moderation: Robert Misik, Autor und Journalist